Bad Oeynhausen,
Wie Frühgeborene von High Tech-Herzmedizin profitieren
In Zusammenarbeit mit dem Klinikum Dortmund gelingt Kinderherzspezialisten am Herz- und Diabeteszentrum NRW, Bad Oeynhausen, ein effektiver, höchst seltener Eingriff
Ein Ungeborenes im Mutterleib wird von seiner Mutter mit sauerstoffreichem Blut versorgt. Dazu leitet eine Verbindung zwischen der Hauptschlagader (Aorta) und der Lungenschlagader, der sogenannte Ductus arteriosus, das Blut weitgehend am Lungenkreislauf vorbei. Erst nach der Geburt, wenn sich die Lungen entfalten und das Neugeborene zu atmen beginnt, schließt sich der Ductus arteriosus in den ersten Lebenstagen. Bei Frühgeborenen kann es allerdings zu lebensbedrohlichen Komplikationen kommen.
Das kleine Mädchen, das im Klinikum Dortmund viel zu früh in der 26. Schwangerschaftswoche zur Welt kommt, heisst Anna und wiegt nur 830 Gramm. Das Team der Neonatologie des Klinikum Dortmund stellt in den ersten Lebenswochen das Überleben des Frühgeborenen sicher. Doch über den viel zu großen offenen Ductus arteriosus fließt weiterhin sauerstoffreiches Blut direkt in den Lungenkreislauf. Die Spezialisten wissen, dass der Ductus verschlossen werden muss, damit die kleine Anna langfristig überleben kann. Die Medikamente, die helfen können, den offenen Ductus arteriosus zu verschliessen, wirken bei ihr leider nicht. Daher nehmen die Ärzte Kontakt zum Kinderherzzentrum in Bad Oeynhausen auf. Gemeinsam planen sie einen außergewöhnlichen Eingriff, um das kleine Mädchen zu retten.
Vier Wochen nach der frühen Geburt in Dortmund landet ein Hubschrauber auf dem Dach des Herz- und Diabeteszentrum NRW (HDZ NRW) in Bad Oeynhausen. Das Frühgeborene wiegt jetzt immerhin 1.200 Gramm. Oberärztin Claudia Schäfer und eine Intensivpflegefachkraft aus Dortmund begleiten es in das Kinderherzkatheterlabor, wo Oberarzt PD Dr. Jochen Grohmann, Professor Dr. Stephan Schubert, Direktor der Kinderkardiologie, und ihr Team alle Vorbereitungen für den höchst seltenen, in Bad Oeynhausen erstmaligen Eingriff getroffen haben. Auch ein herzchirurgisches Team unter der Leitung von Prof. Univ. Dr. Eugen Sandica steht in Bereitschaft vor Ort.
Erst seit 2019 ist eine im Vergleich zu einer großen herzchirurgischen Operation schonende Herzkathetertherapie zum Verschluss des Ductus arteriosus bei so kleinen Kindern überhaupt möglich. Alle Organe bei Frühgeborenen sind zart und zerbrechlich, schon kleine Veränderungen können das Herz-Kreislaufsystem gefährden. Erfahrene Kinderkardiologen wie Schubert haben etwa 30 bis 40 Verfahren dieser Art bei Kindern bis zu einem Gewicht von 3000 Gramm erfolgreich durchgeführt, einige wenige bei noch kleineren, zwischen 1000 und 2000 Gramm leichten Frühgeborenen.
Minimalinvasiv und vorwiegend unter Ultraschall- und minimaler Röntgenkontrolle führen Grohmann und Schubert den schmalen Katheter über eine Leistenvene bis zum kleinen Kinderherzen vor, wo sich ein winziges Nitinol-Schirmchen im Ductus entfaltet und die offene Verbindung schließt. „Bei der Platzierung dieses „Piccolo“-Schirmchens können Millimeterbruchteile über den Erfolg entscheiden“, sagt Schubert. „Entsprechend hoch war die Anspannung und Konzentration im Herzkatheterlabor, das verlangt auch einem so routinierten Team wie unserem einiges ab.“
Die Überwachung im Herzkatheterlabor bestätigt nach dem knapp zweistündigen Verfahren, dass der Eingriff erfolgreich ist. „Wir mussten sicherstellen, dass das kleine Schirmchen in seiner Position fest verankert ist, keine daneben liegenden Gefäße einengt und die Herz-Kreislauf-Situation nach dem Verfahren stabil bleibt“, erläutert Schubert. Etwa drei Stunden bleibt das kleine Mädchen deshalb noch vor Ort auf der Kinderherzintensivstation in Bad Oeynhausen. Dann wird es noch am gleichen Abend wieder zurück auf die Frühgeborenen-Station geflogen, wo das Dortmunder Team und seine erleichterten Eltern warten.
„Das war schon eine sehr außergewöhnliche und beeindruckende Zusammenarbeit“, fasst Professor Schubert die „Piccolo“-Premiere des HDZ NRW und Klinikum Dortmund zusammen. „In diesen Tagen erreicht unsere gemeinsame Patientin ihren ursprünglich errechneten Geburtstermin. Es ist schön zu hören, dass sie eine gute Lebensperspektive hat. Das freut uns riesig und sollte betroffenen Eltern Mut machen. Auch bei einem sehr frühen und schwierigen Start ins Leben können wir Kindern mit angeborenem Herzfehler heute in den allermeisten Fällen gut helfen.“ Ähnliche Transporte herzkranker Kinder könnten zudem zukünftig vielleicht auch vermieden werden, - indem Interventionen dieser Art in Kooperation mit anderen Häusern auch vor Ort in der Geburts- und Kinderklinik durchgeführt werden können.
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