Bad Oeynhausen,
„Ich bin bedingt gesund“, sagt Gisela Schaper (82). Mit beeindruckender Lebensfreude hat die langjährige Patientin des Diabeteszentrums am HDZ NRW, Bad Oeynhausen, so manche Schicksalsschläge gemeistert. Heute ist sie eine echte Expertin ihrer Erkrankung.
„Kind, du hast Zucker“, stellte ihre Mutter 1945 auf der Flucht aus Polen nach Schleswig Holstein bei ihrer Tochter Gisela fest. Für die damals Fünfjährige wurde die Typ 1-Diabeteserkrankung fortan zum ständigen Begleiter in einer Welt, die ohnehin durch den Krieg, die deutsche Besetzung und die Flucht aus der Heimat aus den Fugen geraten war.
Erst seit 1923 war Insulin durch industrielle Produktion in Deutschland verfügbar. Es wurde aus den Bauchspeicheldrüsen von Rindern und Schweinen gewonnen. Als Entdecker gelten die Mediziner Frederick Banting, Charles Best und Nicolae Paulescu. Banting zu Ehren findet der Weltdiabetestag alljährlich an seinem Geburtstag, dem 14. November, statt.
„Mit einer 18 Zentimeter langen Nadel wurde mir das Rinderinsulin regelmäßig gespritzt“, erinnert sich Gisela Schaper. Die Spritze musste anschließend sorgfältig ausgekocht werden und kam so viele Male zum Einsatz. Wurde das vergessen, drohte eine Stoffwechsel-Entgleisung, das Mädchen fiel dann ins Koma.
Ihr Vater starb 1946 in russischer Gefangenschaft, die Kinder zogen mehrmals um. 1953 wohnte sie mit einem großen Bruder und der älteren Schwester im Ruhrgebiet. „Einmal jährlich musste ich regelmäßig in ein Krankenhaus, um die Blutzuckereinstellung zu überprüfen.“ Seit 1965 wurde das Diabeteszentrum Bad Oeynhausen zur bevorzugten Einrichtung, der Gisela Schaper ihr ganzes Leben lang die Treue gehalten hat.
Als Patientin hat sie hier sämtliche Chefärzte und viele Oberärzte kennengelernt, die Grundsteinlegung und Eröffnung des Herzzentrums und stetige Vergrößerung des Herz- und Diabeteszentrum NRW miterlebt. „Nun tritt Herr Professor Tschöpe bald in den wohlverdienten Ruhestand, und ich bin immer noch hier“, schmunzelt die 82-Jährige, in deren Familie der Diabetes Typ 1 leider häufig vertreten ist.
Wenn sie gefragt wird, was sie anderen Betroffenen mit auf den Weg geben würde, muss sie nicht lange überlegen. „Die Erkrankung fordert schon ein hohes Maß an Disziplin“, sagt sie. „Ich habe in den ersten vierzig Jahren meines Lebens keine Süßigkeiten gegessen. Aber alles lässt sich meistern, wenn man nur will.“ Mit dieser positiven Lebenseinstellung hat die gelernte Industriekauffrau trotz Diabetes ein Kind bekommen, obwohl ihr die Ärzte damals von einer Schwangerschaft abgeraten hatten. Nach dem Tod ihres Mannes hat Gisela Schaper einen Herzinfarkt erlitten und eine Chemotherapie überwunden.
„Heute stehen ja zum Glück viel bessere Medikamente und segensreiche therapeutische Mittel zur Verfügung.“ Mit ihrer Lebenserfahrung und unerschütterlicher guter Laune macht Gisela Schaper anderen Betroffenen Mut. Mit ihrer Insulinpumpe kommt die alte Dame seit vielen Jahren bestens zurecht. „Die Systeme sind im Laufe der Zeit immer handlicher und praktikabler geworden.“ Nur auf ihr Insulin-Tagebuch, das sie nach wie vor handschriftlich führt, möchte sie noch nicht verzichten. „Aber wahrscheinlich lerne ich das auch noch, so schwierig kann es ja nicht sein, sich an die telemedizinische Übertragung der Daten zu gewöhnen. Das ist ja eine ganz tolle Technik.“
Hintergrundinformation:
Typ-1-Diabetes beginnt meist im Kindes- und Jugendalter und wird durch einen absoluten Mangel des lebenswichtigen Hormons Insulin verursacht. Die Erkrankung ist nicht heilbar, so dass Betroffene ihr ganzes Leben lang Insulin spritzen müssen. In einigen Familien tritt Typ-1-Diabetes gehäuft auf. Eine genetische Veranlagung erhöht das Erkrankungsrisiko. In Deutschland sind etwa 200.000 Menschen betroffen.
Kleine Geschichte des Insulins:
In den 20er und 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde schnell wirksames Insulin aus gereinigten und aufbereiteten Schlachthausabfällen vom Rind oder Schwein hergestellt. Über die Jahre wurden verschiedene Zusätze getestet, durch die dann auch langwirksame Basalinsuline möglich wurden. Die Hilfsmittel für die Insulingabe entwickelten sich von den ersten Spritzen über sogenannte „Autoinjektoren“ bis hin zu Pens und Insulinpumpen, die beide ab den 1980er Jahren zur Verfügung standen. Ab 1982 wurde das gentechnisch hergestellte Humaninsulin eingeführt. Seit den 90er Jahren ergänzten kurzwirksame Analoginsuline, ab 2000 auch langwirksame Analoginsuline die Therapie. Aktuell wird an intelligenten Insulinen geforscht, welche die Insulinabgabe aus dem Depot an der Injektionsstelle zuckerabhängig steuern.
Quelle: diabetesde.org
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