Seit 25 Jahren pflegt Jörg Plaßmeier im HDZ NRW transplantierte Patienten. Anfang 2014 macht er selbst eine "Grenzerfahrung". Er erleidet während der Arbeit einen Herzinfarkt. Innerhalb weniger Minuten wird er im Katheterlabor der Kardiologischen Klinik behandelt. In der rechten Koronararterie müssen ihm fünf Stents eingesetzt werden. Dank des schnellen Eingriffs trug er keine Folgeschäden davon.

Als Jörg Plaßmeier am Morgen des 29. Januar 2014 gegen 6.15 Uhr das HDZ-Gebäude betritt, ist ihm kalt, sehr kalt, äußerlich und innerlich. Im Fahrstuhl drückt er auf den obersten Knopf für die vierte Etage. Daneben steht HTx-Station. Plaßmeier arbeitet hier, seit 25 Jahren. Er betreut transplantierte oder auf ein Spenderherz wartende Patienten.

Auf der Station tauscht er die Straßenkleidung gegen eine desinfizierte Klinikkluft, eine weite blaue Hose und eine blaue Kitteljacke. Dann lässt er sich von den Kollegen über besondere Vorkommnisse unter den Patienten während der Nacht informieren. Es ist die bei jedem Dienstwechsel fällige Übergabe. Schließlich schleicht er matt und mit weichen Knien an seinen Schreibtisch. Er misst seinen Blutdruck: 150:90 mmHg. Kein Grund zu übertriebener Besorgnis. Dann nimmt er wie jeden Morgen seine Medikamente ein. Darunter einen ACEHemmer, der die Arterien erweitern und den Blutfluss fördern soll. Wenig später verspürt er ein dumpfes Gefühl hinter dem Brustbein, der Schweiß bricht ihm aus.

Einer seiner Kollegen geht an seinem Zimmer vorbei, sieht ihn kreidebleich und schlapp auf dem Stuhl sitzen und alarmiert Uwe Schulz, den leitenden Oberarzt der Transplantationsstation: "Geh´ mal zum Plaßmeier, der sieht gar nicht gut aus." Auch auf Uwe Schulz wirkt Jörg Plaßmeier auffällig blass und hinfällig. Er veranlasst sofort ein EKG auf der Station. Danach ruft er in den Flur: "Sofort ein Bett." Ein Mitarbeiter der Station meldet sich kurz darauf im Katheterlabor: "Wir haben hier einen Notfall, habt ihr einen Tisch frei?"

"Mächtig Schwein gehabt"

Als Oberarzt Schulz das Bett durch die Tür des Katheterlabors rollt, ist bereits alles für den Notfall vorbereitet. Der Patient bekommt zunächst eine Morphiumspritze gegen seine Schmerzen und die Enge in der Brust. "Ich fühlte mich danach sehr ruhig", sagt Plaßmeier. Als wäre eine gehörige Portion Gelassenheit in seinen Körper geflossen. Während der Vorbereitungen zu dem Eingriff klingelt in seiner Klinikhose das Diensthandy. Reflexartig drückt er auf den Knopf: "Ich kann jetzt nicht reden, ich liege gerade auf dem Tisch im Katheterlabor." - "Wo bist du?", fragt ungläubig der Anrufer, ein Kollege. Dann drückt Plaßmeier den Anrufer weg. "Es war schon eine reichlich skurrile Szene", sagt er heute. Bereits um 8.30 Uhr liegt der erste Katheterfilm vor.

Verantwortlich für den Eingriff ist Dr. Detlef Hering. Er ist einer von über einem Dutzend Oberärzten der Kardiologischen Klinik im HDZ NRW, geleitet wird sie von Direktor Prof. Dr. Dieter Horstkotte. Dr. Hering und sein Team entdecken im mittleren Drittel der rechten Koronararterie einen sogenannten Plaqueaufbruch. Demnach haben sich in der Koronararterie Teile der Kalkablagerung gelöst und eine hochgradige Stenose (Verengung) verursacht - der Anlass für den Herzinfarkt. Um für einen ungehinderten Blutfluss zu sorgen, müssen insgesamt fünf Stents implantiert werden.

Das Team am Labortisch misst nach dem Eingriff bei Plaßmeier eine normale Herzpumpleistung von über 55 Prozent. Der gute Wert zeigt, dass die Leistung des Herzmuskels nicht beeinträchtigt ist. Zwei Stunden später wäre der Muskel bereits geschwächt und bei noch längerer Wartezeit womöglich nachhaltig geschädigt worden. Ein Glück für den Patienten, dass er innerhalb weniger Minuten behandelt werden konnte.

Der Eingriff verläuft problemlos, unmittelbar danach besucht Oberarzt Uwe Schulz den Patienten auf der Intensivstation der Kardiologie. "Mensch, da haste aber mächtig Schwein gehabt", sagt er. Insgesamt zehn Tage verbringt der 55-Jährige stationär in der Kardiologie - Zeit zum Nachdenken. Über 2.000 transplantierte Patienten hat Plaßmeier auf der HTx-Station als Pfleger betreut. Das prägt, es fordert, es bedrückt. "Ständig Grenzerfahrungen zu erleben", sagt er, "das verändert das eigene Leben. Das macht nachdenklich."

Plaßmeier erlebt häufig, dass selbst schwerstkranke Patienten ihren Zustand und die Ungewissheit über ihr weiteres Leben mit großer Würde tragen.

Das Lächeln, das traurig macht

An viele dieser Patienten kann er sich noch erinnern. Von einigen hat er noch ein Bild im Kopf. Manche hat er in ihrem Todeskampf begleitet, Patienten, denen medizinisch nicht mehr zu helfen war. Das Sterben zu erleben, daran werde er sich nie gewöhnen können. Alle auf der Station empfänden das als eine Niederlage, sagt er, danach herrsche für eine Weile eine sehr gedrückte Stimmung.

Manche Erinnerung bleibt, sie beschäftigt ihn immer wieder. Wie die an einen Patienten, Mitte fünfzig, der nach einer Transplantation starb. "Dem Mann", sagt er, "ging es sehr schlecht. Wenn man an sein Bett trat, hat er immer gelächelt. Es war eine große Freundlichkeit in ihm." Nach seiner Transplantation versagte seine Leber, sie hätte ebenfalls ersetzt werden müssen. Bald schwächelten noch weitere Organe. Monatelang hat er ihn gepflegt. "Es war für mich sehr bedrückend“, sagt Plaßmeier, „sein langsames und qualvolles Sterben zu erleben.“ Selbst in seinen letzten Stunden habe er sich noch ein Lächeln abgerungen. Das ist fast zwei Jahre her. Wenn er an ihn denkt, sieht er das freundliche Gesicht vor sich. Das macht ihn traurig, auch heute noch.

Plaßmeier erlebt häufig, dass selbst schwerstkranke Patienten ihren Zustand und die Ungewissheit über ihr weiteres Leben mit großer Würde tragen. Das beeindruckt ihn, es motiviert, macht ihm deutlich, wie wichtig die tägliche Routine in seinem Beruf ist, das Pendeln zwischen Blutwerten, Apparaturen und dem Verbreiten von Zuversicht. Er erlebt, dass die pflegerische Beschäftigung, die Hilfestellungen und die dabei geführten Gespräche von den Patienten als Zuwendung empfunden werden. Das stärkt sie und hellt auch ihn auf.

Schwerstkranke pflegen ist für Plaßmeier Neigung, seine gesamte Familie verspürt den Sog zu einem medizinischen Beruf. Seine Frau arbeitet als Neurologin in dem Krankhaus einer Nachbarstadt, sein Sohn ist Chirurg, die Tochter studiert Medizin. Ein familiärer Bezug besteht auch zu seiner Herzerkrankung. Plaßmeiers Vater und sein Bruder hatten ebenfalls einen Herzinfarkt erlitten, beide im Alter von 42 Jahren. "Doch irgendwann verdrängt man das mit der familiären Disposition", sagt er.

Ein ätherisches Erlebnis

Der Herzinfarkt und der Kathetereingriff haben Plaßmeier stärker geschwächt, als er erwartet hatte. "Ich befand mich in einem großen Erschöpfungszustand", erinnert er sich. Während seiner Reha in Timmendorf verlassen ihn bereits nach 20 Minuten am Strand die Kräfte. Jeden Tag aber schafft er etwas mehr. Bald schon ist wieder die alte Kondition erreicht. In seinen letzten Reha-Tagen hat er wieder die Kraft, mehrere Stunden lang über den Strand zu wandern.

Jörg Plaßmeier verspürt in den Wochen nach seinem Infarkt das dringende Bedürfnis, sich innerlich wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Zwischen seinem Aufenthalt in der Kardiologischen Klinik und seiner Reha reist er am 15. Februar mit seiner Frau nach Berlin. Er hatte vor Wochen schon Karten für ein Konzert der Berliner Philharmoniker bestellt, die will er nicht verfallen lassen. "Nach meiner eigenen kleinen Grenzerfahrung brauchte ich das", sagt er, "diese Klänge streicheln die Seele. Es war ein ätherisches Erlebnis."

Am 11. August 2014 liegt er wieder auf dem Tisch im Katheterlabor: Nachkontrolle. Der Monitor zeigt den Weg des Katheters durch seine Gefäße. Verantwortlich für den Eingriff ist diesmal Dr. Werner Scholtz, der Leiter der Katheterlabore im HDZ NRW. Die Ergebnisse entsprechen dem körperlichen Wohlgefühl des Patienten. Plaßmeiers Herz hat von dem Infarkt keine bleibenden Schäden davongetragen.

Der Vorfall ist dennoch nicht ohne Folgen geblieben. In seiner Lebenseinstellung hat sich einiges geändert. Seine Frau stellt eines Tages fest, dass er viel ruhiger geworden ist. So soll es bleiben, er will nicht mehr wie bisher von der Hektik getrieben sein, stattdessen ökonomischer mit der Zeit umgehen. Plaßmeier, Mitglied der Stationsleitung, sieht darin auch einen Gewinn für seine Tätigkeit auf der HTx-Station. „Ich mache jetzt“, sagt er, „meine Arbeit ruhiger und somit konzentrierter. Das hilft mir und kommt auch den Patienten zugute.“ 

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