Bad Oeynhausen,
Ein Tag als Student im HDZ NRW
Medizin Campus OWL: 59 Studenten der Ruhr-Uni Bochum lernen derzeit die Spezialdisziplinen am Herz- und Diabeteszentrum NRW, Bad Oeynhausen, kennen.
"Nanu, kein Puls?" Dabei liegt Patient Jürgen Unger (53) sehr munter vor den Medizinstudenten in seinem Krankenbett.
"Stellen Sie die Herzfrequenz fest und bringen Sie die Krankengeschichte des Patienten in Erfahrung." So lautet die Aufgabe, die Privatdozent Dr. Jochen Börgermann den drei Studenten der Ruhr-Universität Bochum gestellt hat, die heute Nachmittag bei ihm zur sogenannten "Lehre am Bett" in der Klinik für Thorax- und Kardiovaskularchirurgie am Herz- und Diabeteszentrum NRW (HDZ NRW), Bad Oeynhausen, angetreten sind.
Die Irritation über den fehlenden Pulsschlag dauert nicht lange. Denn Alina Gauß, Matthias Theissen und Karlo Hünerbein haben gut aufgepasst während der Hörsaal-Vorlesung am Vormittag und der theoretischen Vorbereitung im Konferenzraum, bevor es auf die Station ging. Sie wissen inzwischen, dass ihr Patient sein Schicksal mit 14 Millionen betroffenen Menschen in Deutschland teilt und dass seine Erkrankung, die Herzschwäche (Herzinsuffizienz), der häufigste Grund für einen stationären Krankenhausaufenthalt ist.
Während ihres 7. Semesters am Medizin Campus OWL lernen die drei angehenden Ärzte im Bad Oeynhausener Spezialklinikum die herzchirurgischen Therapiemöglichkeiten zur Behandlung der Herzschwäche, der koronaren Herzerkrankung und von Herzklappenfehlern kennen. Ihr Patient Jürgen Unger hat keinen Pulsschlag, und das ist richtig so. Denn seit zwei Jahren trägt er eine künstliche Herzunterstützung bei sich, um die Wartezeit auf ein Spenderherz zu überbrücken. Ein externer Antrieb sorgt für einen permanenten Blutfluss durch seinen Körper.
Die Organisation der Lehre am HDZ in kleinen Lerngruppen hat sich nicht nur bewährt, sondern sie wurde auch vom ersten Jahrgang der Studierenden, die im Wintersemester 2015/16 nach Ostwestfalen kamen, besonders gut bewertet. "Darauf sind wir sehr stolz, denn natürlich wollen wir unsere Studenten von den hervorragenden Fachbereichen hier begeistern. Das verlangt eine akribische Vorbereitung und großen Einsatz aller Beteiligten", betont Professor Dr. Jan Gummert, Ärztlicher Direktor des HDZ NRW.
Der heutige Lehrplan hat pünktlich um 8.15 Uhr im Hörsaal mit einer Vorlesung über die Herzklappenchirurgie begonnen. Zwei Stunden später stehen die angeborenen Herzfehler auf dem Programm. Es folgen Kardiologie und Radiologie zu speziellen Erkrankungsfällen und den Möglichkeiten der bildgebenden Diagnostik des Herzens.
Die sechs Studenten, die sich nach der Mittagspause bei Jochen Börgermann einfinden, haben bisher noch keine künstlichen Herzunterstützungssysteme oder Kunstherzen kennengelernt. Hier können sie verschiedene Modelle begutachten, auseinander- und wieder zusammensetzen, während ihr Dozent die Einsatzmöglichkeiten und Schweregrade einer schweren Herzschwäche erläutert, zum Fragen ermuntert und immer wieder geschickt Wissen abfragt. "Welchen Pumpenkopf würden Sie jetzt wählen, wenn Ihr Patient ein 50 Kilo schwerer 12-jähriger Junge ist? Welches Schlagvolumen würde das Herz benötigen?"
Ob sie einmal Herzspezialisten werden wollen? Da mag sich keiner von ihnen jetzt schon festlegen. Im Moment gehe es darum, im praktischen Teil der Ausbildung soviel Wissen wie möglich zu sammeln. Wer sich für das Herz interessiert, nimmt die Tipps der Ärzte im HDZ gerne an und erfährt, dass Studenten im praktischen Jahr herzlich willkommen sind.
Jürgen Unger hat schon auf den medizinischen Nachwuchs gewartet. Der gelernte Koch aus Hückeswagen im Bergischen Land hat einen unbemerkt gebliebenen Infarkt hinter sich, im Laufe von drei Jahren wurde sein Herz immer schwächer. Die Studenten stellen Fragen zum Therapieverlauf und interessieren sich besonders für die Lebensqualität mit der künstlichen Herzunterstützung. Dann dürfen sie seinen Brustkorb abhorchen.
"In den vergangenen drei Semestern hatten wir in Kliniken der Allgemeinversorgung erst 50 Mal die Gelegenheit zum Abhorchen", sagt Karlo Hünerbein. "Immer hörte man bisher den Herzschlag, und jetzt startet hier auf einmal ein surrendes Flugzeug. Sowas vergisst man nicht." Die Mechanik der Herzpumpe ist nicht zu überhören, aber auch die Bewegungen des kranken Herzens sind zu erkennen.
Ist Börgermann mit seinen Studenten zufrieden? Der Herzchirurg schmunzelt. "Hier am Bett lernen die Studenten viele einzelne Fälle und Schicksale kennen. Die Herausforderung ist es, auf jeden Patienten individuell einzugehen, ohne dabei die wichtigen Informationen für den Therapieverlauf außer Acht zu lassen. Das haben die drei Kandidaten heute hervorragend gemeistert."
Hintergrundinformation:
Nach dem Start der Medizinerausbildung in Ostwestfalen-Lippe im Wintersemester 2015/16 hat der Medizin Campus OWL mit 120 Studierenden seinen Vollbetrieb aufgenommen. Derzeit 59 angehende Ärzte leisten ihr 7. Semester an den Mühlenkreiskliniken, dem Klinikum Herford und dem Herz- und Diabeteszentrum NRW, Bad Oeynhausen, ab. Weitere 61 Studenten befinden sich bereits im 9. Semester ihres Studiums.
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